Sonnenland? Da war doch was…
Manchmal geraten Fragen unverdient in den Hintergrund, ohne dass es irgendjemandem anzulasten ist -z.B. einfach, weil das Blickfeld ohne Sehhilfe nicht bis zum anderen Ende der Stadt reicht… Ein Anstoß aus Steinbek kann da schon hilfreich sein, wo gerade jetzt die Situation im Sonnenland – bzw. in der mittlerweile zweigeteilten Stadtteilarbeit für Kinder, Jugendliche und Familien (zwischen dem alten Stadtteilprojekt und der AWO) aus aktuellem Anlass wieder thematisiert wird: Eine Benefiz- und Informationsveranstaltung soll es geben. Heute schon, an der HAW in Barmbek.
Vielleicht schafft es ja die eine oder andere noch dorthin zu fahren…
…und für den Rest der Versuch einer chronolologischen Auflistung der online zugänglichen Veröffentlichungen zum Konflikt um die 40jährige Stadtteilarbeit in dieser Billstedter Wohnsiedlung:
Januar 2007…
Der Aufschrei nach überraschender Kündigung
Anfang des Jahres wurde das Stadtteilprojekt Sonnenland per Anruf, von der Nachricht überrascht, der Jugendhilfeausschuss Hamburg-Mitte hätte die vollständige Einstellung der Förderung für den 28.2.07 beschlossen. Link zum Originalartikel
Die taz titelte daraufhin mit Licht aus im Sonnenland
„Das Projekt wird auf Grund der besonderen Lage im Stadtteil beendet und gleichzeitig neu ausgeschrieben“, sagte der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Johannes Kahrs (SPD). Man brauche ein neues Konzept, um auf die spezielle Situation im Stadtteil einzugehen. „Die Neuausschreibung läuft noch bis Ende Januar, das bisherige Projekt endet am 28. Februar. Auf diese Weise hoffen wir, einen nahtlosen Übergang zu erreichen“, sagte Kahrs. Bereits bei der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses in der kommenden Woche, am 5. Februar, soll eine Entscheidung für einen Träger fallen.
Quelle
Februar 2007…
Die Mopo sah Wolken überm Sonnenland:
„Niemand hat uns je gesagt, warum unsere Arbeit nicht mehr erwünscht ist“, sagt [..] einer der fünf Jugendbetreuer der Einrichtung. Und tatsächlich halten sich von Politik bis Verwaltung alle auffällig bedeckt mit Erklärungen.
Quelle
Aus der folgenden Jugendhilfeausschussitzung war seitens der taz wiederum von Streit im Sonnenland zu lesen:
Die „Sonnenländer“, die mit etwa 100 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu der Sitzung gekommen waren, protestierten auf Plakaten gegen das Ende „ihres“ Projekts. „Hände weg vom Stadtteilprojekt“ und „Das Projekt gehört uns“ war darauf zu lesen.
Quelle und Ob sich an der Neuausschreibung nun neben dem bisherigen auch weitere Träger bewerben, ist nicht klar. „Ich habe von der Neuausschreibung noch nichts gehört und kann deshalb nicht sagen, ob wir uns bewerben werden“, sagte Monika Thissen von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Hamburg. Generell sei die AWO jedoch an Projekten der offenen Kinder- und Jugendarbeit interessiert.
Quelle
Und auch das Abendblatt meldete sich zu Wort und schrieb Sonnenland ist abgebrannt
Tatsächlich steckt hinter dem harten Schnitt des Bezirks offenbar auch ein lang schwelender Konflikt um Jugendpolitik: Auf der einen Seite eine Law-and-Order-Position, die dem eher rechten Sozialdemokraten Kahrs zugerechnet wird. Auf der anderen Seite die Position der Sonnenländer, die sich nicht zu „Hilfssheriffs des Staates“ machen wollen.
Quelle
Dann der Beschluss der Sonnenländer zum vorgesehenen Schließungstermin:
Wir machen weiter
Sonnenländer übernehmen das Stadtteilprojekt Sonnenland
Der Retter-Rat des Stadtteilprojekts beschließt: Wir machen weiter! via Besitzstandswahrer
März – April 2007…
In der Zeit des laufenden Ausschreibungsverfahrens bis Ende April hatte die Hamburger Initiativenzeitung in ihrer Online-Ausgabe mehrere Beiträge zum Sonnenland veröffentlicht. Sie sind allerdings nach Einstellung der hiz nicht mehr zugänglich.
Ansonsten scheint es außer einem Demo-Aufruf und der Ankündigung einer Soli-Mai-Party keine Netzveröffentlichungen aus dieser Zeit zu geben. (Oder doch: hier im Bille-Netz-Rundbrief als PDF)
Mai 2007…
Anfang Mai jedoch, nach erfolgter Entscheidung über einen neuen Träger – die AWO – meldet sich zunächst von erziehungswissenschaftlicher Seite Katharina Willems zu Wort: Denn sie wissen nicht, was sie tun – oder?
Hinter dieser Entscheidung verbirgt sich ein Verfahren, welches in der Landschaft der Kinder- und Jugendhilfepolitik in Hamburg meines Erachtens in verschiedener Hinsicht beispiellos ist: beispiellos undurchsichtig, beispielhaft unprofessionell und beispiellos politisch motiviert– statt inhaltlich.
Quelle
und später dann die Fraktionen der Bezirksversammlung Mitte mit Pressemitteilungen – und zeigen, dass nun auch die bisherige interfraktionelle Einigkeit zum Thema Sonnenland in der Bezirksversammlung und im Jugendhilfeausschuss ein Ende hat:
Die GAL: Arbeiterwohlfahrt ist der neue Träger der Kinder- und Jugendarbeit Sonnenland!
Aufgrund der Bewertung durch die fachlich qualifizierte Findungskommission erhielt die AWO die höchste Punktzahl und damit den Zuschlag. Der Jugendhilfeausschuss Hamburg-Mitte hat sich daraufhin für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) entschieden.
Quelle
Die CDU: Jugendhilfe Hamburg-Mitte: Roter Filz im Sonnenland ! AWO und Kahrs unter Druck
Die Auswahl der AWO kann man getrost als Vetternwirtschaft oder Filz bezeichnen.Dabei wäre eine echte Neuausrichtung der Jugendhilfe im Stadtteil mit einem anderen Träger durchaus möglich gewesen. Was jetzt vermutlich auf der Strecke bleibt, ist die Qualität des künftigen Jugendhilfeangebots.
Quelle
Die Pressemitteilung der SPD ist momentan nicht auffindbar.
Dafür gibt es einige Artikel aus Online-Zeitungsausgaben wie:
taz: AWO übernimmt Jugendarbeit im Sonnenland
Hinz und Kunzt: Viele Menschen im Viertel unterstützen den Protest…
Juni 2007…
Und da offenbar auf Seiten von Behörden und Politik dem Umstand nicht ausreichend Rechnung getragen worden war, dass allein das bisherige Stadtteilprojekt Zugang zu den bisherigen Räumlichkeiten hatte und trotz Einstellung der Förderung nicht gewillt war, den Mietvertrag zu kündigen um die Räume für den neuen Träger freizumachen, kam es zunächst nicht zu der angekündigten Übernahme der Jugendarbeit durch die AWO:
medienSchaufenster/Die Linke: Das Stadtteilprojekt Sonnenland lebt weiter
Der Retter-Rat Sonnenland versucht indes die ehrenamtliche Gemeinwesenarbeit weiter zu sichern. Zusammen mit einem Unterstützerkreis, der vorwiegend aus Personen des Hoch- und Fachschulbereiches besteht versucht man einen Förder-Verein aufzubauen, der der ehrenamtlichen Arbeit des Vereins eine materielle Grundlage bieten kann.Das Stadtteilprojekt gehört zu den Gewinnern des vom Arbeitskreis Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften in Kooperation mit Radio Hamburg veranstalteten Wettbewerbs für die besten Ferienprojekte. Dieser Preis wird denjenigen Kindern im Sonnenland zugute kommen, die in den Sommerferien nicht mit ihren Eltern wegfahren und etwas Neues erleben können.
Quelle
Während sich SPD und CDU weiterhin gegeneinander empören…
September 2007…
…kämpft das Stadtteilprojekt auch im September noch weiter – unterstützt und begleitet von einer kopfschüttelnden (teils sogar internationalen) Fachöffentlichkeit:
Resolution der Werkstatt Gemeinwesenarbeit
Wir bitten die politisch Verantwortlichen in der Freien und Hansestadt Hamburg, die durch die aktiven Bewohner des Sonnenlandes getragene Gemeinwesenarbeit durch die Bereitstellung fachlicher, politischer und infrastruktureller Förderung zu unterstützen.
Quelle
GWA-Projekt Sonnenland kämpft um das Überleben (Timm Kunstreich im FORUM)
Um die Position des Projektes Sonnenland für zukünftige Auseinandersetzungen, aber auch Verhandlungen zu stärken, ruft der Förderverein GWA Sonnenland zu Spenden auf. Wichtigstes Ziel ist es, bis Ende des Jahres die Mieten für die Räume (ca. 1400 € mtl.) zu sichern sowie die von Freiwilligen aufrecht erhaltenen Angebote zu finanzieren. Willkommen ist jede Spende. Da wir uns jedoch auf einen längeren Prozess gefasst machen müssen, suchen wir 150 MitstreiterInnen, die monatlich 10 € einzahlen! Quelle: T. Kunstreich in der hlz
Siehe auch:
Den Sonnenländern ist nicht egal was hier passiert
und
Das Stadtteilprojekt bleibt!
aud dem FORUM für Kinder- und Jugendarbeit.
November 2007…
… wird das noch immer bestehende Stadtteilprojekt mit einem Preisgeld von 1000 Euro für gute Nachbarschaft ausgezeichnet:
Hamburgs beste Nachbarn 2007 leben in Billstedt titelt das Abendblatt
Die „besten Nachbarn Hamburgs“ wohnen in der Billstedter Hochhaussiedlung Sonnenland. 50 Menschen engagieren sich hier ehrenamtlich für ihre Mitbürger. Rita Buck und Olga Johanßen leiten die Mittagskantine. Jürgen Wolff hilft in seinem Schreibbüro beim Ausfüllen von Formularen. Kiez-Türsteher Carlo Carstensen kümmert sich um Jugendliche. Seit 40 Jahren gibt es das Stadtteilprojekt „Sonnenland e. V.“. Anfang des Jahres wurde dem Verein überraschend vom Bezirk Mitte das Fördergeld gestrichen. Die Sonnenländer machten unbeirrt weiter – und gewannen jetzt für ihr Engagement einen Preis.
Quelle
Januar 2008…Noch immer nicht viel Bewegung – ein Jahr nach dem Entschluss zur Neuausrichtung, ist das Angebot an professioneller Jugendarbeit im Sonnenland äußerst dürftig.
Kurioser Streit im Sonnenland schreibt die Mopo
Eine Lösung es Konflikts ist nicht in Sicht.
Quelle
Dennoch, eine allmähliche Annäherung, ein runder Tisch scheinen sich abzuzeichnen..
Erich Kern beschreibt zudem in Sonnenland – ein Jahr danach sehr erhellend die Ereignisse des vorangegangenen Jahres, die derzeitige Situation und die Chancen und Perspektiven des Projekts bzw. der künftigen sozialen Arbeit im Sonnenland.
Inzwischen lässt sich im Sonnenland Kooperation auf kleiner lebenspraktischer Ebene dadurch beobachten, dass Kinder, Jugendliche und Frauen des Sonnenlandes ihren Weg zu und zwischen den Angeboten der AWO, Schule, Spielhaus, Stadtteilprojekt, Gemeinschaftshaus finden und diese nach ihren Bedarfen nutzen. Wird hier von den NutzerInnen der notwendige Weg zum gemeinsamen Handeln aufgezeigt?
Quelle
Das war ein Jahr danach…
Im Mai 2008…
– mittlerweile war nach der Hamburg-Wahl eine neue Bezirksversammlung gewählt und ein neuer Jugenhilfeausschuss dabei sich zu konstituiieren – war es wieder an der CDU einen runden Tisch anzumahnen: Jugendarbeit im Sonnenland: Weiterhin Stillstand – CDU fordert runden Tisch
Hierzu der jugendpolitische Sprecher der CDU-Bezirksfraktion Peter Herkenrath (36): „Der Zustand im Sonnenland ist unbefriedigend und darf so nicht unendlich weitergehen. Die professionelle Betreuung der Kinder und Jugendlichen im Quartier kommt seit über einem Jahr leider eindeutig zu kurz. Allerdings geht hier ohne eine vernünftige Kooperation zwischen der AWO, dem Spielhaus und dem Stadtteilprojekt Sonnenland nicht viel. Deshalb ist es notwendig, dass alle drei Einrichtungen in ihrer Arbeit stabilisiert oder gar gestärkt werden. Erst dann ist eine sinnvolle Abstimmung der jeweiligen Angebote überhaupt möglich. Und die Raumfrage sollte sich damit auch klären lassen.
Quelle
Und schließlich im Oktober 2008…
heißt es im Protokoll einer Jugendhilfeausschuss-Sitzung – in der im übrigen zwei Anträge von LINKE und CDU zur besseren Ausstattung/Unterstützung vom Sonnenland abgelehnt wurden –
Im Zusammenhang mit den Anträgen und als Hinweis für die als Besucher anwesenden Mitglieder des Stadtteilprojektes Sonnenland informiert Herr Kahrs darüber, dass das Jugendamt begonnen hat, die Vernetzung zwischen den Akteuren im Sonnenland im Interesse der Zusammenarbeit für den Stadtteil herzustellen und bittet die Beteiligten diesen Prozess zu unterstützen. Der JHA wird sich mit den Ergebnissen dann neu befassen.
Quelle
Und nun?
Ist wahrscheinlich wirklich Zeit für einen weniger puzzlespielartigen Überblick im Sonnenland – zwei Jahre danach…
Category: Allgemein, Aus den Einrichtungen, Freie Träger